Die Deutungsmacht der Medizin über die Geschlechtszuweisung bei inter* Menschen setzt sich bis heute fort – trotz oder auch mittels der Möglichkeit der Auslassung des Geschlechtseintrags (2013), der Einführung des dritten positiven Geschlechtseintrags (2018) oder des Gesetzes zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (2021). Die Studien von Ulrike Klöppel (2015) und das Follow-Up von Josh Hoenes et al. (2019) zur Häufigkeit von Genitaloperationen an Kindern zeigen, dass der vorherrschende medizinische Duktus weiterhin einer der operativen und/oder medikamentösen Zurichtung der Körper ist. Ob den betreffenden Personen die Option einer Nicht-Behandlung nahegelegt wird, hängt von den behandelnden Mediziner_innen ab. Das Geschlecht-Werden (embodiment) der allermeisten intergeschlechtlichen Menschen ist damit weiterhin beeinflusst durch Operationen, Medikamentengabe und die Erfahrungen mit medizinischen Behandlungsmethoden (bildgebenden Verfahren, Untersuchungen etc.), die entlang der Norm der Zweikörpergeschlechtlichkeit den intergeschlechtlichen Körper als krisenhaft inszenieren und als pathologisch und defizitär markieren.

Im Rahmen meiner Dissertation habe ich eine Biographieforschung mit intergeschlechtlichen Menschen durchgeführt, in der ich der Frage nachgegangen bin, wie Intergeschlechtlichkeit als Selbstverständnis entwickelt werden kann, wenn die Biographie geprägt ist von der Veranderung und Unsichtbarmachung dieser Identifikationsoption. Im Vortrag stelle ich die zwei zentralen Ergebnislinien vor und diskutiere anschließend gern mit Ihnen darüber, was sich im medizinischen Umgang mit inter* Menschen ändern kann, um insbesondere die sexuellen und reproduktiven Rechte nicht einwilligungsfähiger inter* Kinder und Jugendlicher zu schützen.